„Trumps Spielraum ist nicht so groß“

Wie Donald Trump doch noch zum Klimaschützer werden könnte, erklärt Steven Herz von der US-Umweltorganisation Sierra Club. Herz ist bei der größten und ältesten Umweltorganisation der USA Chefberater für internationale Politik.

Herr Herz, was war ihr erster Gedanke, als Sie von Trumps Wahlsieg gehört haben?

Steven Herz: Ich bin die ganze Nacht wach geblieben. Ich konnte es erst gar nicht glauben. Dann dachte ich: Wir schauen gerade tief in den Abgrund.

Wird Trump aus dem Paris-Abkommen aussteigen?

Das hat er gesagt, ja. Und ich denke, es wird Republikaner geben, die ihn dazu drängen werden. Aber es gibt starke Kräfte, die das erschweren werden. Da ist zum einen das überwältigende Momentum des Paris-Abkommens, das so schnell in Kraft getreten ist. Der Klimawandel ist ganz oben auf die Agenda gerückt. Er zeigt sich immer stärker und der Druck zum schnellen Handeln nimmt zu.

Trump leugnet den Klimawandel.

Selbst wenn er das tut, muss er mit Bündnispartnern verhandeln, die fest daran glauben und ihn in die Verantwortung nehmen würden. Würde er den Paris-Vertrag aufkündigen, würde er folgende Reaktion bekommen: Wenn du aus unserer Kooperation aussteigst, die wir so wichtig finden, dann kooperieren wir nicht mit dir auf anderen Feldern, in denen du etwas erreichen willst. Für Trump wäre das ein Risiko.

An welche anderen Felder denken Sie?

Trump will die Freihandelsabkommen neu verhandeln. Er will auch, dass die Europäer mehr für die Nato zahlen. Es gibt eine ganze Palette von Dingen, die im Interesse der USA liegen. Syrien, die Verhandlungen mit dem Iran. Atomare Abrüstung. Die gesamte Spannbreite der Außenpolitik. Es ist ja nicht so, als wären die USA allein auf der Welt. Wir brauchen Partner. Terrorismus, Bekämpfung des Drogenhandels, Schutz des geistigen Eigentums.

Wenn Trump beim Klimaschutz nicht mitspielt, entziehen ihm andere Länder bei anderen Themen die Unterstützung. So funktioniert die internationale Politik auf vielen Gebieten – und das ist auch jetzt beim Klima zu erwarten.

Kann Trump den Klimaverhandlungsprozess verlangsamen?

In den USA – ja. Aber ich glaube nicht, dass das passiert. Viele Länder haben sich zum Klimaschutz bekannt, weil das nach ihrer Ansicht im eigenen nationalen Interesse liegt.

Und Ihre Hoffnung ist, dass auch Trump zu dieser Sichtweise kommt?

Aber natürlich. Die Kosten für die erneuerbaren Energien fallen und fallen, die Kosten für die Kohle steigen.

Trump will auch die „Kohle retten“, hat er angekündigt.

Kein Präsident kann das, denn es ist ökonomischer Unsinn. 250 Kohlekraftwerke wurden in den vergangenen Jahren in den USA geschlossen oder zumindest gab es die Ankündigung dazu. Und das nicht nur, weil es ein Bekenntnis zum globalen Klimaschutz gibt oder unseren „Krieg gegen die Kohle“. Entscheidend ist: Die Kohle ist nicht wettbewerbsfähig. Und viele Anwohner sind der Kraftwerke überdrüssig, weil sie von ihnen vergiftet werden.

Wird der Sierra Club jetzt seine Strategie ändern?

Keine Frage, dass die Klimabewegung jetzt alles überdenken muss. Das Gleiche gilt für Gewerkschaften, Investoren, Kirchen, all die Gruppen, die sehr besorgt über den Klimawandel sind.

Die Umweltbewegung ist eigentlich nicht vorbereitet auf Trump, oder?

Nein. Wir haben genug zu tun. Selbst die Republikaner haben genug zu tun – sie wollen diesen Typen nicht!

Ist die Situation vergleichbar mit der, als George W. Bush Präsident wurde? Er hat sich damals aus dem Kyoto-Protokoll zurückgezogen und wollte Hunderte neue Kohlekraftwerke bauen.

Es gibt heute ein paar Dinge, die anders liegen. Die Wirtschaft ist eine ganz andere. Die Kosten für die Erneuerbaren sind ungleich geringer. Es gab enorme Investitionen in die Energieeffizienz. Bis hin zu einer viel besseren Software zur Steuerung der Energieflüsse. Die Geschäftswelt sieht heute viel stärker die Chancen und nicht nur Kosten. Und heute gäbe es eine ganz andere Antwort der internationalen Klimadiplomatie, würde Trump tatsächlich versuchen, sich aus dem Paris-Abkommen zu verabschieden.

Gibt es irgendetwas Gutes, das Sie der Wahl von Trump abgewinnen können?

Überlegt.

Das ist schwierig. Sehr schwierig.

Überlegt.

Optimistisch stimmt mich das Momentum in der Klimapolitik, die Ökonomie und das, was in den Staaten und Städten in Sachen Klimaschutz passiert. All das engt Trumps Spielraum ein, Schlimmes anzurichten. Der Spielraum für ihn ist kleiner, als man denkt. Ich hoffe, dass ihm das beigebracht werden kann, die Möglichkeiten zu sehen, die in einer Energiewende und im Klimaschutz liegen. Er ist kein Ideologe wie zum Beispiel Ted Cruz. Es gibt also vielleicht Möglichkeiten, ihn über Umwege vom Klimaschutz zu überzeugen.

Wie soll das funktionieren?

Etwa über Infrastrukturprojekte. Es muss ihm klar werden, was für ein starker Motor die Investitionen in Erneuerbare für die Schaffung von Arbeitsplätzen sind. Der Aufbau von Windanlagen, von neuen Solarmodulen auf den Dächern, das Dämmen von Häusern. Das sind amerikanische Jobmaschinen. Wenn Trump es ernst meint mit seinem Versprechen, Jobs für die Arbeiterklasse zu schaffen, können wir vielleicht darauf aufbauen.

Interview: Benjamin von Brackel

Quelle: klimaretter.info, 10.11.2016
www.klimaretter.info

vgl. Einigung zum Klimaschutzplan 2050 bislang gescheitert

s. Das Freihandelsabkommen mit den USA droht Klima- und Umweltschutz zu gefährden

auch: WindEurope: Behov for ambitiøs klimapolitik i EU

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