„Brachialgewalt bei der EEG-Novelle“

Tritt Oliver Krischer, grüner Fraktionsvize und Energiexperte, ans Rednerpult, wacht das Bundestags-Plenum auf. Bei der ersten Lesung der EEG-Novelle kanzelte er kürzlich die Tiraden von Unionsmann Michael Fuchs ab, „jeder Siebtklässler“ könne dazu „qualifizierter reden“. Das wird die Große Koalition aber kaum daran hindern, das EEG 2016 kommende Woche „brachial“ durchs Parlament zu bringen, bedauert Krischer.

Die politische Karriere des studierten Biologen begann vor 20 Jahren als Mitarbeiter bei grünen Fraktionen im Bundestag und im nordrhein-westfälischen Landtag. Seit 2009 sitzt er selbst im Bundestag, ab 2013 als Vize-Fraktionschef und Zuständiger für den Arbeitskreis mit dem Bandwurmtitel „Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Tierschutz, Klima, Energie, Nachhaltigkeit, Bau, Wohnen und Stadtentwicklung, Verkehr, Agrarpolitik und Ernährung, Tourismus, Aufbau Ost“.

klimaretter.info: Herr Krischer, am Montag befasst sich der Wirtschaftsausschuss der Bundestages mit der EEG-Reform, am Freitag soll das Gesetz schon beschlossene Sache sein. Sie meintenzuletzt, man sollte doch auch in dieser sehr kurzen Beratungszeit versuchen, den schlechten Gesetzentwurf wenigstens an ein paar Stellen zu verbessern. Haben Sie diese Hoffnung noch?

Oliver Krischer: Das eine oder andere scheint im Punkt Sektorkopplung noch möglich zu sein, damit erneuerbarer Strom nicht abgeregelt, sondern sinnvoll genutzt wird. Äußerungen aus den Koalitionsfraktionen legen nahe, dass man hier etwas tun will. Auch beim Thema Stromspeicher höre ich von Thomas Bareiß aus der Union immer wieder, dass es Handlungsbedarf gibt und man Anreize schaffen muss.

Da habe ich noch ein bisschen Hoffnung. Aber das macht natürlich aus einem schlechten Gesetz kein gutes – im Gegenteil. Diese kleinen Verbesserungen beseitigen die Grundprobleme des neuen EEG keineswegs. Das wird kein gutes Gesetz mehr.

Überschüssigen und preiswerten Grünstrom nicht wegzuwerfen, sondern ihn zum Beispiel zum „Betanken“ von E-Autos zu nutzen – dafür will der grüne Landesminister Robert Habeck aus Schleswig-Holstein eine sogenannte „Experimentierklausel“ ins EEG hieven. Ist damit ebendiese Sektorkopplung gemeint?

Ja, es ist diese Geschichte. Wir müssen einfach anfangen zu überlegen: Wie können wir den erneuerbaren Strom nutzen, bevor er abgeregelt wird? Diese Strommengen werden ja größer und bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren kommen wir immer mehr in die Überschussdiskussion. Dass man da für sinnvolle Nutzungen streitet und diese ein Stück weit ausprobiert, finde ich unerlässlich.

Das Problem ist auch hier, dass die Bundesregierung zentralistische Vorstellungen von der Energiewende hat. Das Wirtschaftsministerium und besonders der Minister lassen nichts zu, das sich irgendwie ihrer Kontrolle entziehen könnte. Alles will man zentral steuern und alles verhindern, das irgendwie in Richtung Innovation und Fortschritt im Bereich Speicher,Lastmanagement und Sektorkopplung geht.

Hubertus Heil, der Vizefraktionschef der SPD, hat ein paar Punkte benannt, wo seine Partei Verbesserungsbedarf bei der EEG-Novelle im Zuge der Bundestagsberatungen sieht. So bezweifelt er, ob die bisher in der EEG-Novelle festgelegten Begünstigungen der Bürgerenergie ausreichen. Ist das nur heiße Luft?

Seit 2013, seit Anfang dieser Wahlperiode, bekomme ich vor allem von der SPD zu hören, die Bürgerenergie sei ganz wichtig. Die Akteursvielfalt wird rauf- und runtergebetet – nur es passiert nichts. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch, mit dem die Bürgerenergie über Ausschreibungen aus dem Markt gedrückt wird. Was im Gesetzentwurf an Vorteilen für Bürgerprojekte verankert ist – das sagen alle in der Szene – wird die Bürgerenergie nicht retten. Die Worte von Hubertus Heil sind für mich nichts anderes als heiße Luft von der Koalition. Das praktische Handeln geht in eine völlig andere Richtung und das Erneuerbaren-Geschäft wird bei den Groß-Konzernen landen, die die Energiewende einst verschliefen.

Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass man nicht wenigstens die De-minimis-Regelung in voller Höhe – die die EU-Kommission ja zulässt – nutzt und damit bei der Windenergie größere Spielräume schafft. Wenn man schon unbedingt auf Ausschreibungen umsteigen will und sich politisch so entschieden hat, warum kann man dann nicht ein oder zwei Windparks von den Ausschreibungen ausnehmen und in der festen Vergütung belassen? Die Höhe könnte man ja an den Ergebnissen der Ausschreibung orientieren. All das tun CDU, CSU und SPD nicht. Deshalb sind das Lob für die Bürgerenergie und die Ankündigung, dass man die Akteursvielfalt schützen will, für mich nur Sonntagsgerede.

Auch in einem anderen Punkt deutet Heil namens der SPD Verbesserungen an und stellt die geplante Einmaldegression für Wind an Land infrage. Diese könnte gestreckt werden. Klingt das für Sie glaubwürdig?

Die Einmaldegression ist eigentlich ja eine zusätzliche Vergütungskürzung, die viele, auch bereits laufende Projekte unwirtschaftlich machen würde. Ich hoffe gern, dass da noch Bewegung drin ist.

Insgesamt steckt in der Koalition aber viel Widersprüchliches dahinter. Zum einen geht man mit harten Schnitten an die Vergütung heran, zum anderen will man den Standorten im Süden, weil es da am Netzausbau nicht so mangelt, bessere Chancen geben. Dann konzentriert sich die Große Koalition auf die kostengünstigen Standorte im Norden, schafft aber dort Netzengpassgebiete, in denen bei Windkraft zu Lande nur noch 60 Prozent vom Schnitt der letzten drei Jahre zugebaut werden soll. Das passt alles nicht zusammen und bremst die Erneuerbaren weiter aus.

Die Nonchalance, mit der sich gerade der Bundeswirtschaftsminister über die meisten Einwände hinwegsetzt, erstaunt schon. Mit den Ländern geht man nur die allernotwendigsten Kompromisse ein und die Proteste der Ökobranche werden weitgehend ignoriert.

Die EEG-Novelle wird mit Brachialgewalt durchgedrückt. Das Ziel ist ganz offensichtlich, die Erneuerbaren auszubremsen, sie auf einem Niveau zu halten, dass sie dem Geschäftsmodell der Kohlekraftwerke nicht noch gefährlicher werden. Das ist absurd. Denn auch RWE und Eon wird man dadurch nicht entscheidend helfen können.

Eigentlich wäre angebracht – gerade vor dem Hintergrund des Klimagipfels in Paris –, dass man mehr Erneuerbare baut und sich auf die günstigsten Technologien konzentriert. Die jetzige EEG-Novelle reiht sich in die beiden vorherigen ein. 2012 hat man die Photovoltaik abgewürgt, 2014 die Bioenergie. Jetzt soll Wind an Land auf ein Minimum an Ausbau beschränkt werden – bis auf Null 2020.

Die Grünen schauen schon auf die Bundestagswahl 2017 und verkünden, dass nach der Wahl diese schlimme EEG-Novelle korrigiert werden müsse. Mit wem wollen Sie das denn durchsetzen – mit der SPD oder mit der Union?

Bisher haben wir eine Große Koalition, die überhaupt kein Interesse an Erneuerbaren hat. Ich kann in den letzten zwei Jahren nichts in Richtung einer konstruktiveren und schnelleren Energiewende erkennen. Alles ist auf das Ausbremsen der Erneuerbaren und auf die klimaschädliche Kohle ausgelegt. Und kamen einmal sinnvolle Vorschläge wie der Klimabeitrag von Sigmar Gabriel, wurde das schnell wieder einkassiert und stattdessen eine Milliardensubvention mit der Kohlereserve im Strommarktgesetz geschaffen.

Den qualitativen Unterschied in einer Bundesregierung würden hier wirklich die Grünen ausmachen. Die Unterschiede zwischen SPD und Union auf Bundesebene bestehen am Ende wirklich nur in Nuancen. Die einen sind etwas näher an der Bioenergie dran, die anderen mehr an Offshore-Windkraft. Aber ein echtes Interesse an einem Ausbau der Erneuerbaren, um die Klimaziele zu erreichen, sehe ich weder bei der Union noch bei der SPD. Soll sich in der Qualität etwas ändern, wird es auf uns Grüne ankommen.

Quelle: klimaretter.info, 3. Juli 2016

vgl. Dynamik nicht ausbremsen – Erneuerbaren Systemverantwortung übertragen