Windkraftpläne: Hoffen und Bangen in Gemeinden

 Bild in Originalgröße anzeigen   Felder so weit das Auge reicht, nur unterbrochen von einigen Waldstücken und ein paar Häusern. Die Landschaft rund um die Gemeinde Rieseby im Naturpark Schlei im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist postkartentauglich. Doch bald könnten hier auch viele Windräder das Bild prägen. Der Ortsteil Saxtorf ist von der Landesregierung als ein Vorranggebiet ausgewiesen worden. Aber es gibt längst nicht nur Kritiker. Für Riesebys Bürgermeister Jens Kolls (SPD) sind die Regionalpläne der Küstenkoalition „ein Segen“.

Rieseby: „Da geht ein Riss durch die Gemeinde“

Seine Gemeinde war schon in den Windkraft-Plänen von 2012 als möglicher Standort ausgewiesen, und Kolls sitzt ungeduldig in den Startlöchern. Mittlerweile sei er das Warten einfach leid, ob es mit einem Windpark in Saxtorf nun etwas werde oder nicht, sagt der Bürgermeister. Pläne dafür warteten in der Schublade, für sechs Windräder liege bereits ein Bauantrag beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume vor. Kolls ist ein Befürworter des Windparks, weil die Energiewende gewollt sei und zusätzliche Einnahmen für die Gemeindekasse winken. Windparkbetreiber zahlen schließlich Gewerbesteuer. Doch der Bürgermeister räumt ein: „Es ist bei uns natürlich wie in vielen Gemeinden Schleswig-Holsteins, da geht so ein bisschen ein Riss durch die Gemeinde.“

Viele negative Auswirkungen?

Dieser Riss wird auch in der Gemeindeverwaltung deutlich. Denn anders als Kolls ist der zweite stellvertretende Bürgermeister Frank Dreves (Freie Wählergemeinschaft Rieseby) ein Gegner der neuen Windkraftpläne. Er kritisiert, dass nun etliche bis zu 200 Meter hohe Windräder entstehen könnten, obwohl sich bei einem Bürgerentscheid im März 2015 eine Mehrheit von 54 Prozent der Riesebyer dafür ausgesprochen hatte, maximal 100 Meter hohe Anlagen zu errichten. Dreves, der im Verein „Gegenwind“ aktiv ist und sich auch für den Seeadlerschutz engagiert, befürchtet Gefahren für die Gesundheit von Menschen und für seltene Tiere. Außerdem werde durch die geplanten Windräder das Landschaftsbild zerstört, was schwerwiegende Folgen für den Tourismus haben könnte. „Ich bin entsetzt, dass inmitten des Naturparks Schlei so etwas entstehen soll“, sagt Dreves.

Stellungnahmen der Bürger gefragt

Noch aber hängt Rieseby in der Warteschleife und es ist nicht sicher, dass hier auch wirklich gigantische Windräder gebaut werden. Ende Dezember beginnt zunächst ein öffentliches Beteiligungsverfahren der Landesregierung, bei dem jeder der 2.650 Riesebyer die ausgewiesenen Flächen hinterfragen und kommentieren kann – und dies auch unbedingt tun sollte, wie Bürgermeister Kolls findet: „Denn je mehr Stellungnahmen in eine Richtung gehen, umso eher wird die Landesplanung diese sicherlich bewerten. Ob sie hinterher auch Beachtung finden, ist allerdings eine andere Frage.“

Hemme: „Nicht gerade gute Laune“

Ganz anders als in Rieseby und dem Kreis Rendsburg-Eckernförde ist die Stimmung bei Geschäftsführern von Windparks im Kreis Dithmarschen. In den neuen Regionalplänen sind zwar auch einige komplett neue Windeignungsflächen ausgewiesen, aber in vielen Dithmarscher Gemeinden heißt es nun: Daumen runter für den Windkraftausbau. Ein Beispiel ist die 500-Seelen-Gemeinde Hemme, direkt an der Bundesstraße 5 zwischen Heide und Tönning. „Bei uns gehen Teilflächen verloren, und das sorgt nicht gerade für gute Laune“, klagt Bürgermeister Hans-Peter Witt (Wählergemeinschaft Hemme). Dabei wollte er den Ausbau der Windkraft eigentlich noch vorantreiben.

Hohe Akzeptanz für Bürgerwindpark

In Hemme gibt es derzeit 90 Windkraftanlagen – und kaum Diskussionen darüber, wie der Bürgermeister berichtet. Das liegt nach seinen Worten vor allem an dem Bürgerwindpark mit elf Anlagen und einer Gesamtleistung von 30 Megawatt. „Daran haben sich 130 Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Genau das ist das Erfolgsrezept und sorgt für eine hohe Akzeptanz im Dorf“, erklärt Witt. Außerdem profitiert die Gemeinde von den Gewerbesteuereinnahmen. Genaue Summen will der Bürgermeister nicht nennen, „aber wir haben zum Beispiel einen neuen, zwei Kilometer langen Radweg bauen können und das Feuerwehrgerätehaus und das Sportlerheim saniert.“

„Brauchen bei Windkraft einen langen Atem“

Ob die Einnahmen seiner Gemeinde weiter sprudeln können, sei derzeit völlig ungewiss, so Witt. Denn man könne schließlich noch nicht sagen, wie es jetzt mit der Windkraft weitergehe. Er verweist darauf, dass nun ja erst einmal das Anhörungsverfahren folgt. Bis wirklich klar sei, wo neue Anlagen gebaut werden dürfen und wo nicht, dauere es noch bis zum Jahr 2018. In Hemme gibt es laut Witt Pläne, 60 alte Windkraftanlagen durch neue, leistungsstärkere zu ersetzen. Ob das nun noch möglich sei, müsse man abwarten, sagt der Bürgermeister. Doch er bleibt gelassen. Schließlich habe er in den vergangenen Jahren gelernt, mit dem Auf und Ab in der Windbranche umzugehen: „Mal ein windstarkes Jahr, mal ein windschwaches Jahr – da müssen wir durch. Wir brauchen beim Thema Windkraft einen langen Atem.“

Quelle: NDR, 7.12.2016
www.ndr.de

s. Neue Windkraft-Pläne: Gut gemacht!

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