
Studie im Auftrag des LEE NRW wertet erstmals die Studienlage sowie Erhebungen aus der Praxis zum Schwarzstorch aus und entwickelt daraus Empfehlungen zum angepassten artenschutzrechtlichen Umgang.
Der Ausbau der Windenergie ist ein zentraler Baustein für die Energiewende. Damit stellen sich aber auch immer wieder Fragen nach der Vereinbarkeit von Windenergie und Artenschutz. Es braucht insofern artenschutzfachliche Erkenntnisse und Wissen zum artspezifischen Verhalten in Bezug auf Windenergie. Gerade im Hinblick auf den Schwarzstorch war die Daten- und Studienlage bisher jedoch dürftig und wurde wenig bis gar nicht zusammengetragen. Dem hat sich die ARSU GmbH im Auftrag des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW angenommen und erstmals die Studienlage zum Meideverhalten des Schwarzstorches gegenüber Windenergieanlagen bei gleichzeitiger Betrachtung umfangreicher Beobachtungen aus der Praxis beleuchtet.
Notwendigkeit zur Neubewertung
Mit der Änderung von §45b Bundesnaturschutzgesetz im Juli 2022 wurde die Liste der kollisionsgefährdeten Brutvogelarten neu eingestuft. Da der Schwarzstorch allerdings nicht zu den kollisionsgefährdeten Vogelarten zählt, fand er keinen Eingang in diese Liste. In der Konsequenz gelten die enorm hohen Restriktionsbereiche von 3.000m in den meisten Bundesländern fort. Noch dazu sind die Regelungen in den Bundesländern sehr heterogen und teils schon stark veraltet. Da die überwiegende Anzahl an Länderleitfäden vor der Änderung von §45b Bundesnaturschutzgesetz veröffentlicht wurde, kommt es mithin dazu, dass der Schwarzstorch in einigen Bundesländern immernoch als kollisionsgefährdet gilt.
Dem gegenüber steht die vermehrte Beobachtung von unbeeinträchtigter Koexistenz von Schwarzstörchen und Windenergieanlagen. So haben sich Brutpaare sogar nachträglich bei schon bestehenden Anlagen im Abstand von rund 250m zur Windenergieanlage angesiedelt. Allein dieser Umstand spricht für die Notwendigkeit einer Überprüfung der bestehenden Prüfradien und Abstände zwischen Horsten und Windrädern.
Methodik der Neubewertung
Wenngleich der Schwarzstorch kein kollisionsgefährdeter Vogel ist, ist er dennoch als störungsempfindliche Art anerkannt, weshalb die möglichen Beeinträchtigungen durch den Bau von Windenergieanlagen unbedingt zu berücksichtigen sind. Andernfalls läge ein Verstoß gegen den Verbotstatbestand der erheblichen Störung aus §44, Abs. 1, Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz und das damit einhergehende Beschädigungsverbot gemäß §44, Abs. 1, Nr. 3 Bundesnaturschutzgesetz vor.
Bei möglichen Störungen des Schwarzstorchs sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Störungen denkbar und zu unterscheiden. Einerseits ist die Störungsempfindlichkeit im Horstumfeld zu betrachten, andererseits die Störungsempfindlichkeit auf Nahrungsflächen beziehungsweise auf dem Flug dorthin. Gerade die Störung im unmittelbaren Horstumfeld ist sensibel, da sie zur Aufgabe von Brutplätzen führen kann.
Um eine Bewertung der Störungsempfindlichkeit vornehmen zu können, nutzt die Studie artenschutzfachliche Erkenntnisse in der Literatur sowie Daten zu Bruten in der Nähe von Windrädern und wertet diese hinsichtlich der sich zeigenden tatsächlichen Abstände zu WEA-Standorten aus. Sowohl der Abstand zum Horst als auch das Flugverhalten und die dortige Annäherung an Windenergieanlagen werden betrachtet. Die Daten stammen aus Erhebungen des LANUK in NRW sowie weiteren Gutachterbüros.
Erkenntnisse und Potenzial zur Standardisierung
Neben Erkenntnissen aus der Literatur berücksichtigt die Studie insgesamt 29 Brutplätzen im Radius von 3.000 Metern zu Windenergieanlagen. Daraus leiten die Autoren der Studie neue artspezifische Prüfradien ab. Schwarzstörche brüten mitunter in Abständen von nur 250 Metern zu einer Windenergieanlage. Es zeigt sich zudem, dass Schwarzstörche Windräder oft sehr kleinräumig (Abstand 200 Meter) umfliegen und Windparks bei ausreichendem Anlagenabstand durchfliegen. Die Störwirkung von Windrädern erscheint demnach bei weitem nicht so groß wie lange angenommen.
Fachlich scheint es also geboten, die in vielen Bundesländern sehr weiträumig gewählten Radien zu evaluieren. Die Studie schlägt vor, analog dem § 45b Bundesnaturschutzgesetz zu kollisionsgefährdeten Vögeln, die Vorgaben zum Schwarzstorch zu vereinheitlichen. In einem Betrachtungsraum von 1.200 Metern in dem Störungen auftreten können haben die Wissenschaftler zwei Prüfbereiche definiert.
Im Nahbereich bis 500 Meter um den Brutplatz ist im Regelfall von einer erheblichen Störung auszugehen, die auch nicht durch Maßnahmen aufgehoben werden kann. Im neuen zentralen Prüfbereich zwischen 500 und 1.200 Metern kann dagegen nicht regelmäßig von einer Störung des Brutplatzes ausgegangen werden. In diesem Bereich wird empfohlen mittels einer mittlerweile etablierten Habitatpotenzialanalyse (HPA) mögliche Störungen zu identifizieren. Eine Störung ist beispielsweise anzunehmen, wenn die HPA geeignete Nahrungshabitate identifiziert, die in weniger als 300 Metern Abstand zu einer Windenergieanlage liegen.
Oft lassen sich potentiell störende Wirkungen mit Hilfe von Minderungsmaßnahmen vermindern. Einen erweiterten Prüfbereich über die 1.200m hinaus braucht es nach Aussage der Wissenschaftler beim Schwarzstorch nicht mehr. Die umfangreich ausgewerteten Unterlagen geben dafür keinen Anlass.
Die Studie zeigt: Der Schwarzstorch erweist sich bei näherer Betrachtung als weniger störempfindlich als zuvor angenommen und die zuvor angenommenen hohen Sicherheitsabstände können deutlich reduziert werden. Windenergie und Artenschutz sind keine Gegensätze.
Quelle: Landesverband Erneuerbare Energien NRW e. V. (LEE NRW) vom 26.11.2025
www.lee-nrw.de
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