Tempo darf nicht zulasten der Rechtssicherheit gehen

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Die Bundesregierung hat heute Formulierungshilfen für das Osterpaket vorgelegt, das sich derzeit noch im parlamentarischen Prozess befindet. Diese betreffen die Themenbereiche Flächen und Artenschutz, die ursprünglich erst mit dem Sommerpaket adressiert werden sollten. Der BWE begrüßt grundsätzlich das Tempo mit dem die Bundesregierung hier Lösungen finden will, kritisiert jedoch die nicht erfolgte Verbändebeteiligung und warnt vor nicht rechtssicheren Schnellschüssen.

„Die Branche benötigt schnell Klarheit und Verbindlichkeit. Mit den angepassten und bis 2040 ausdefinierten Zielen im EEG wird im Osterpaket ein erster wichtiger Schritt getan. Wir haben immer unterstrichen, dass für die Erreichung der Ziele die Bereitstellung von Flächen, vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren und die Standardisierung im Artenschutz unerlässlich sind. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass die Koalition das Tempo der Gesetzgebung hochhält. Bei dem notwendigen Tempo dürfen allerdings Rechtssicherheit und Praxistauglichkeit nicht auf der Stecke bleiben. Der Weg über Formulierungshilfen macht geordnete Beratungen und notwendige Prüfungen unmöglich. Es braucht die Verbändebeteiligung“, machte Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie, deutlich.

Die Bundesregierung plant mit zwei umfangreichen und komplexen Formulierungshilfen das parlamentarische Verfahren zum Osterpaket zu ergänzen. Die Formulierungshilfen betreffen unter anderem den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung der Flächenausweisung für Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz – WaLG) und den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz werden ein völlig neues Windflächenbedarfsgesetz, eine Änderung des Baugesetzbuches und Änderungen im EEG vorgelegt. Die Formulierungshilfe zum Bundesnaturschutzgesetz sieht umfassende Regelungen zum Artenschutz beim Betrieb von Windenergieanlagen einschließlich ergänzender Anlagen vor. So werden mit einer Anlage Bereiche zur Prüfung bei kollisionsgefährdeten Brutvogelarten definiert. Eine weitere Anlage enthält eine hoch komplexe Formel zur Berechnung der Zumutbarkeit von Ertragsverlusten und Höhe der Zahlung für Artenhilfsprogramme vor. Gleichzeitig wird der §16b Absatz 4 im Bundesimmissionsschutzgesetz wieder aufgehoben.

Der BWE bewertet nach einer ersten schnellen Durchsicht die Formulierungshilfen vorläufig wie folgt:

Die schrittweise Erweiterung der Flächenkulisse im Wind-an-Land-Gesetz wird den Erfordernissen eines deutlichen Zubaus nicht gerecht. Wir brauchen sofort wirksame Maßnahmen, um die Ausschreibungsvolumen bereits ab 2023 zu erreichen. Warum die Flächenbeitragswerte ausgerechnet bei Bundesländern mit einen hohen eigenen Strombedarf das 2%-Flächenziel nicht erreichen sollen, ist unverständlich. Positiv ist die im Baugesetzbuch angelegte Klarstellung, dass die Flächenziele Mindestziele sind. Bundesländer, die ihre industrie- und wirtschaftspolitischen Ziele neu definieren, können so profitieren. Richtig ist die Festlegung, dass Sonderregelungen zu Abständen den Nachweis ausreichender Flächenbereitstellung voraussetzen müssen. Dies muss ab sofort gelten. Die starken Präzisierungen zur Arbeit des Bund-Länder-Kooperationsausschusses begrüßen wir. Ob die Regelungen zum Repowering die Zusage aus dem Koalitionsvertrag umsetzen, ist zu prüfen. Repowering ist erforderlich, um kurzfristig einen Hochlauf der installierten Leistung zu erreichen.

Die im Koalitionsvertrag zugesagte Standardisierung der artenschutzrechtlichen Prüfung wird neben Flächenausweisung der Schlüssel sein, um den notwendigen Zubau der Windenergie an Land zu erreichen. Bundeseinheitliche Vorgaben erleichtern den Genehmigungsbehörden ihre Entscheidungen. Die gesetzliche Festschreibung der unwissenschaftlichen Behauptung, Windenergieanlagen würden signifikante Tötungsgefahren verursachen, ist inakzeptabel. Wir sehen die große Gefahr, dass mit dem vorgelegten Entwurf der Formulierungshilfe keine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren erreichbar ist. Im Gegenteil: Eine erste Prüfung zeigt, dass restriktive Vorgaben eine Verschärfung bestehender und als Hemmnis erkannter Regelungen mit sich bringen. Hinter der Formel zur Berechnung der Zumutbarkeit und Höhe der Zahlung in Artenhilfsprogramme verbirgt sich eine völlig neue Regelung zu scheinbar tolerierbaren Abschaltungen und Energieverlusten. Die Formel ist in ihren Praxisauswirkungen kaum zu bewerten. Die mit ihr als zumutbar berechneten Abschaltungen betreffen nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern werden vor allem den Stromertrag aus der installierten Leistung dauerhaft mindern. Dies untergräbt die im EEG vorgegebenen Strommengenpfade.

Quelle: BWE e.V., 8.6.2022
www.wind-energie.de

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